"U.S. Visa Express" und die Verbindung zum saudischen Terror

Die Leichtigkeit, mit der Mitglieder des al-Qaida-Netzwerks in den Vereinigten Staaten ein- und ausreisen konnten, sollte man im Zusammenhang mit einer Aussage von Michael Springmann sehen, der zwischen 1987 und 1989 Leiter der Visa-Abteilung des US-Konsulats in Djidda in Saudi-Arabien war. Springmann hat zwanzig Jahre Erfahrung im Dienste der US-Regierung hinter sich und ist jetzt als Anwalt in Washington tätig. In der Sendung "Newsweek der BBC sagte er: "In Saudi-Arabien bekam ich häufig von höheren Beamten des Außenministeriums die Anweisung, Antragstellern Visa zu erteilen, die eigentlich keine Visa hätten bekommen dürfen. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Leite, die keine Verbindungen zu Saudi-Arabien oder ihrem Herkunftsland hatten." Anm.121

In einem anderen Interview mit Radio One des kanadischen CBC sagte er, Beamte der US-Regierung hätten ihm bestätigt, dass "die CIA Terroristen zum Kampf gegen die Sowjets anwarb". Überdies sei Osama bin Laden "einer ihrer Aktivposten gewesen, er habe mit ihnen zusammengearbeitet". Es habe "nicht weniger als hundert" Rekruten gegeben, Leute "ohne Bindung an einen bestimmten Ort. Am Ende sollten sie ihre speziellen Fähigkeiten in Afghanistan anwenden. Sie kamen in die Vereinigten Staaten, um dort zu Terroristen ausgebildet zu werden. Die Länder, die sie geschickt hatten, wollten sie nicht zurückhaben." Springmann behauptete, dass CIA-Beamte ständig die Bestimmungen des Außenministeriums verletzten, indem sie diesen Leuten Visa verschafften.

"CBC: Weist dies auf eine Verbindung zwischen dem CIA und Osama bin Laden hin, die bis ins Jahr 1987 zurückreicht?

SPRINGMANN: Ja, das tut es, und Sie werden sich erinnern, dass man glaubt, dass dieser Scheich Abdur Rahman, der hinter dem ersten Bombenanschlag auf das New Yorker World Trade Center steckte, sein Einreisevisum von einem Spezialagenten der CIA im Sudan bekommen hatte. Und dass die etwa fünfzehn Leute, die aus Saudi-Arabien kamen, um bei den Anschlägen auf das WTC und das Pentagon mitzumachen, ihre Visa vom amerikanischen Generalkonsulat in Djidda erhielten.

CBC: Heißt das etwa, dass man diesen Hahn noch immer nicht zugedreht hat, dass das immer noch so weitergeht?

SPRINGMANN: Genau. Ich glaubte, man habe damit aufgehört, nachdem ich so viel Krach geschlagen hatte. Ich hatte mich bei der Botschaft in Riad und bei allem zuständigen Regierungsstellen in Washington beschert, und die Angelegenheit wurde anscheinend im ganzen Außenministerium diskutiert.

CBC: Wenn das stimmt, dann hätten viele der Terroristen, die mutmaßlich jene Flugzeuge in jene Ziele steuerten, ihrer Visa mit Hilfe der CIA im US-Konsulat on Djidda bekommen. Das weist doch auf eine Beziehung hin, die offensichtlich noch vor kurzem, nämlich im September, bestanden haben muss. Aber wofür brauchte die CIA diese Leute?

SPRINGMANN: Das weiß ich nicht. Und das ist etwas, das ich schon seit zehn Jahren durch eine ganze Reihe von Auskunftsersuchen herausfinden wollte, die sich auf das Gesetz über die Informationsfreiheit beriefen. Aber von Anfang an haben das Außenministerium und die CIA meine Gesuche abgeschmettert. Und das ist heute noch so.

CBC: Wenn die CIA ein nahes Verhältnis zu den Leuten unterhielten, die für den 11. September verantwortlich sind, würden Sie dann unterstellen, dass sie in gewisser Weise sogar Beihilfe zu diesem Verbrechen geleistet hat?

SPRINGMANN: Ja, entweder durch Unterlassung oder durch Fehlverhalten. Und ihre Versuche, mich mundtot zu machen, überzeugten mich immer mehr davon, dass dies wirklich keine Wahnvorstellung oder pure Ausgeburt meiner Phantasie war.

CBC: Aber wenn Sie die Ereignisse von 1987 nehmen, als man den falschen Leuten Visa erteilte, und dann annehmen, dass das noch einmal bei denselben Leuten passiert, die für die Anschläge auf New York und Washington verantwortlich sind, dann ist das doch ein Quantensprung. Welche Erklärung haben Sie dafür?

SPRINGMANN: Nach allem, was ich weiß, nach allem, was wir wissen, war das eventuell nicht beabsichtigt, es könnte ein Fehler gewesen sein, es könnte auch eine Fehleinschätzung der Tatsachen gewesen sein. Aber es könnte auch, nach allem, was wir wissen, der Versuch gewesen sein, die Vereinigten Staaten auf irgendeine Weise direkt in die Sache zu verwickeln. Ich meine, es hat ja nur ein paar Tausend Tote gegeben, und was ist das, verglichen mit dem, was die USA im Nahen Osten gewinnen könnten?

CBC: aber Sie sind ganz sicher, dass die VISA von Mohammed Atta und anderen in Djidda ausgestellt worden sind?

SPRINGMANN: Nun, das habe ich aus einem Artikel in der Los Angeles Times." Anm.122

Obwohl Springmann durch seine eindringlichen Warnungen und Beschwerden das Außenministerium über diese gesetzeswidrigen Vorgänge in Kenntnis setzte, drehte als antwort darauf die US-Regierung den Hahn nicht zu, sondern vielmehr noch weiter auf. All dies geschah trotz zunehmender Hinweise auf saudische Verbindungen zum Terrorismus. So berichtet die St. Petersburg Times: "Nach dem Golfkrieg wurde 1991 die Visa-Angelegenheit noch nebulöser. FBI-Agenten klagten, dass ihre saudischen Amtskollegen die Untersuchungen von Terrorangriffen behinderten, einschließlich eines Bombenattentats in Dharan im Jahre 1996, bei dem 19 amerikanische Soldaten getötet wurden. Die Amerikaner hatten auch den Verdacht, dass die saudische Monarchie wenig tat, um den Terrorismus auf saudischem Boden zu bekämpfen und die antiamerikanischen Drohungen zu beenden:"

"Aber statt in dieser Situation die Erteilung von Visa schärfer zu kontrollieren, machte es die US-Regierung saudischen Besuchern noch einfacher, nach Amerika zu kommen. Vier Monate vor dem 11. September wurde unter dem Namen U.S. Visa Express ein Programm gestartet, das es Saudis erlaubte, ihre Visa über zehn Reisebüros zu beantragen - wobei sie oft nicht einmal zu einem Gespräch in die US-Botschaft oder in ein Konsulat kommen mussten." Anm.123

Wir sollten uns daran erinnern, dass diese unglaublichen Regelungen, die in völligem Gegensatz zu den geltenden Visavorschriften des Außenministeriums stehen, von der Bush-Administration ungefähr zur gleichen Zeit getroffen wurden, als die dringenden und glaubhaften Warnungen eingingen, die die US-Geheimdienste wegen eines unmittelbar bevorstehenden al-Qaida-Attentats in Alarmzustand versetzten: im Mai und Juni 2001.

Joel Mowbray berichtete in der National Review: "Drei Saudis, die unter den letzten Selbstmordattentätern des 11. September waren, die nach Amerika einreisten, mussten keine US-Botschaft und kein US-Konsulat aufsuchen, um ihr Visum zu bekommen; sie gingen einfach in ein Reisebüro, wo sie nur ein kurzes, zweiseitiges Formular und ein Foto einzureichen brauchten. Das Programm, das dies ermöglichte, heißt Visa Express."

"Ein hoher amerikanischer Konsularbeamter beschreibt das Programm als 'eine Politik der offenen Türen für Terroristen'. Drei Attentäter des 11.9. reisten in die USA mittels Visa Express ein, obwohl das Programm zu diesem Zeitpunkt erst seit drei Monaten in Kraft war. Saudi-Arabien ist das einzige Land der Welt, das solche Privilegien bei der Erteilung von Visa genießt. Saudi-Arabien ist aber auch das einzige Land mit solchen Privilegien, dessen Bürger ein bekanntes Terrorrisiko darstellen." Anm.124

Hier geht es nicht darum, die Grenzen weiter abzuschotten, sondern darum, warum bestehende normale Regelungen nur in Saudi-Arabien ignoriert und verletzt worden sind. Tatsächlich hatte Springmann selbst das US-Außenministerium immer wieder wegen dieser dubiosen Praktiken gewarnt. Aber die US-Regierung ließ es offensichtlich zu, dass diese Machenschaften munter weitergingen.

Darüber hinaus gibt es Beweise, dass die amerikanischen Geheimdienste zu dieser Zeit sehr wohl wussten, dass Schlüsselfiguren des saudischen Establishments Osama bin Ladens Terrornetz unterstützten. Darüber berichtete Robert Scheer in der Los Angeles Times: "Die Saudis wären ein logisches Ziel, wenn es Präsident Bush wirklich um sein erklärtes Ziel ginge, die Nationen zu bestrafen, die den Terrorismus unterstützen. Es gibt erdrückende Beweise dafür, dass die unglaublich reichen Saudis für das Auftreten einer militanten und gewalttätigen Spielart des Islam verantwortlich sind, die einen Grossteil der islamischen Welt infiziert hat."

"Es waren saudi-arabische Geschäftsleute, die mit aktiver Hilfe der saudischen Regierung die Religionsschulen und Ausbildungslager der Mudschaheddin in Afghanistan und Pakistan finanzierten, wo die neueste Terrorwelle ihren Ausgang nahm. Auch die New York Times stellt in einem Kommentar fest, dass 'Geld und Menschen aus Saudi-Arabien, mit Duldung von Riad, halfen, Osama bin Ladens Terrororganisation zu schaffen und am Leben zu erhalten'. Geht man die von der US-Regierung erstellte Liste der Chefs von Firmen und Stiftungen durch, die angeblich al-Qaida unterstützten, liest sich das wie ein 'Who's who' der saudi-arabischen Gesellschaft." Anm.125

Zahlreiche Berichte beweisen, dass die amerikanischen Geheimdienste schon im Jahr 1006 die weit reichende Unterstützung des saudi-arabischen Establishments für die al-Qaida aufgedeckt hatten (siehe dazu Kapitel 7). Trotzdem startete das Außenministerium schon im März 2001 das Visa-Express-Programm für Saudi-Arabien, die wichtigste Geldquelle der al-Qaida, obwohl sich die Warnhinweise auf einen unmittelbar bevorstehenden Anschlag dieser Terrororganisation immer mehr häuften.

Fast zur gleichen Zeit erhielten dreizehn Flugzeugentführer Visa für die Vereinigten Staaten, deren Erteilung auf den Personalangaben beruhten, die sie beim US-Konsulat in Djidda gerade zum richtigen Zeitpunkt eingereicht hatten, so dass sie in den Genuss des neuen Visa-Express-Programms kamen. Es ist bewiesen, dass mindestens drei Attentäter ihre Visa durch dieses Programm erhielten. Anm.126

All dies sollte man im Zusammenhang sehen mit der vernichtenden Aussage des ehemaligen Leiters der US-amerikanischen Visabüros in Djidda. Michael Springmann stellt fest:

"Ich hatte nicht gegen Betrug protestiert. Wogegen ich in Wirklichkeit protestierte, war der Versuch, von Osama bin Laden angeworbene Männer in die Vereinigten Staaten zu lassen, wo sie von der CIA ein Terrortraining erhalten sollten. Es war nicht das US-Außenministerium, das das Konsulat in Djidda leitete. Es war die CIA. Ich weiß ganz sicher, dass von den knapp zwanzig von Washington entsandten Mitarbeitern dort nur drei Personen (einschließlich mir) keine Verbindungen, ob beruflicher oder anderer Art, zu einem der amerikanischen Geheimdiensten hatte." Anm.127

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